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Der Regenwurmpater Augustin Hessing OSB

Pater Augustin gilt als Vorreiter der ökologischen Bewegung. Wesentliche Erkenntnisse seiner biologisch ausgerichteten Landwirschaft wurden auf dem Wermeltschen Hof in Gerleve gewonnen.Clicken Sie auf diesen Text, um seine Vita zu bekommen. Ausserdem lesen Sie bitte die folgenden bemerkenswerten Texte:

Pater Augustin Hessing, Regenwurm-Mistkompost

Das Allheilmittel für Landwirtschaft und Garten (1954)

Durch die verschiedenen Veröffentlichungen und Besichtigungen ist der Gerlever Regenwurm-Mistkompost bekannt geworden. Nachfolgend möchte ich den unmittelbaren Bericht eines unserer jungen Gärtnerbrüder vorlegen. Er ist so unmittelbar und überzeugend geschrieben, daß ich kaum etwas zuzufügen habe. Nur möchte ich über die Herstellung und die Geschichte dieses Kompostes einige Worte vorausschicken.

Die Sorge um den Humus, durch den der Herrgott uns Tag für Tag das tägliche Brot bereitstellte, beschäftigte mich mit vielen anderen Forschern seit mehr als 20 Jahren. Während meiner 4 jährigen Haft in Dachau hatte ich außergewöhnliche Möglichkeiten und viel Zeit, mich auf diese Frage zu konzentrieren. Man war ja in einem "Konzentrationslager". Durch eindeutige Versuche und Beweise wurde mir klar, daß die vielen Heilkräuter, die wir zu leicht "Unkräuter" nennen, für das Bodenleben und dadurch für den Aufbau des Humus mehr bedeuten, als wir ahnen. Die kleinsten Zusätze dieser Heilpflanzen in geradezu homöopathischer Dosierung schaffen für das Bodenleben im Boden oder Kompost eine Atmosphäre, die in keinem chemischen Laboratorium hergestellt werden kann.

Aufgrund meiner Versuche scheint die Auswahl der Heilkräuter nicht so wesentlich zu sein. Im Grunde ist uns ja die alte Brache unserer Väter und Vorväter beste Lehrmeisterin. Auch heute noch gibt es weise Bauern, die sie mit Erfolg durchführen und auch wirtschaftlich damit zurecht kommen. Man läßt das Unkraut oder besser Heilkraut bis zum Brachmonat (Juni) wachsen, dann wird es womöglich mit Stallmist oberflächlich eingeschält. Über diese Heilwirkung des Bodens können wir uns heute kaum noch eine Vorstellung machen. Es ist sozusagen eine ideale Kompostbereitung auf dem Acker bei der günstigen warmen Juniwitterung.

Wir in Gerleve arbeiten nach der einfachen bewährten englischen Methode, die wohl ursprünglich aus Indien oder Japan stammt. Bei den Chinesen ist heute noch der Komposthaufen der Stolz des gesamten Hauswesens. Auch Professor Sekera sagte: Wir müssen vom Ackerrain her den Boden wieder gesund machen. Der Ackerrain mit seinen vielen bodenständigen Heilkräutern ist viel gesunder als der Acker selbst. Wir mischen Kräuterdrogen wie Kamille, Brennessel, Baldrian, Löwenzahn und Schafgarbe. Die Drogen sind in der Apotheke für wenig Geld zu haben. Wir lassen sie vom Apotheker gleich fein mahlen. Es werden nur sehr geringe Mengen benötigt. Das Prinzip der Wirksamkeit kleinster Dosierungen ist uns aus der Homöopathie bekannt. Für einen m³ Kompost genügt ein Gramm dieser Kräutermischung. Am einfachsten nimmt man einen 10 l Glasballon, füllt ihn mit Regenwasser und gibt 20 g von dem Kräutermehl hinein und außerdem 20 Tropfen Bienenhonig. Das Ganze schüttelt man gut durch und läßt es 24 Stunden stehen. Vor jedem Gebrauch wird es geschüttelt. 0,5 l genügt auf 1 m³ Kompost. Die Mischung wird in kleine Flaschen abgefüllt und bei jeweiligem Kompostaufsetzen übersprengt.

Um die sonst üblichen hohen Temperaturen von 60 - 80° Grad bei der Kompostierung zu vermeiden, setzen wir von vornherein keine hohen Mieten an, sondern schichten breit und flach in einer Stärke von 20 - 30 cm. Erwünscht sind Temperaturen von 20° - 30° C. Bevor wir den Kompost ansetzen, schaffen wir ein Unterbett mit Regenwurmmistkompost mit besonders reichem Regenwurmbesatz. Für diese Art der Kompostierung kommt nur der rote Kompostwurm "Eisenia foetida" in Frage. Unter Umständen ist der Regenwurm mit seinen Helfershelfern schon in 8 Tagen in seinen neuen Futter- und Arbeitsbereich eingezogen. Je nach Art und Temperatur kann er die Hauptarbeit in 14 Tagen geschafft haben.

Man ist immer wieder erstaunt, daß der Mistgeruch nach kurzer Zeit vollkommen verschwunden ist und einem angenehmen Erdgeruch Platz gemacht hat. Dann ist der Zeitpunkt gegeben, die nächste Schicht aufzubringen. Wir haben in Gerleve in unseren Mistkompostierungsanlagen auf 1 m² bei 20 cm Tiefe 100.000 Regenwürmer gezählt, das sind 500 Stück in einem Liter. Nehmen Sie hinzu das Riesenheer der Kleinorganismen und das geradezu unfaßbare Heer der Bakterien - Professor Strugger hat auf 1 Gramm Kompost 3 Milliarden Bakterien festgestellt mit 1000 verschiedenen Arten - dann wird uns klar, daß in kurzer Zeit hier nach den göttlichen Gesetzen der Natur wertvollste Arbeit geleistet wird und ein Produkt hervorgebracht wird, das für unsere Pflanzen und Böden ein Allheilmittel ist. Es wäre geradezu eine Herausforderung gegen den Herrgott, würde man versuchen, von Menschenhand diese Arbeit nachzumachen oder zu ersetzen.

Der grausig drohende Humusschwund, der sich auf der ganzen Welt spürbar macht, ruft uns mit warnender Stimme zu, daß wir uns über die göttlichen Gesetze der Natur nicht ungestraft hinwegsetzen können.

In größeren Gartenbaubetrieben und Landwirtschaften, wo ja ungeheure Mengen Kompost verarbeitet werden müssen, ist ihre Durchführung ohne technische Hilfsmittel nicht möglich. Es werden benötigt: Strohhäcksler. Das Stroh soll aber nicht zu kurz sein, damit die Lüftung im Komposthaufen keinen Schaden leidet. Es genügt ein einfacher Messersternhäcksler. Mechanische Stallausmistung. Miststreuer. Er ist nicht nur zum Mist- und Kompoststreuen auf dem Feld geeignet, sondern auch sehr brauchbar zum Kompostansetzen. Die entsprechende Zusatzerde aus älteren Stammkomposten wird oben aufgeladen und alles innig vermischt als fertige Kompostmiete abgesetzt. Beim Rückwärtsstreuer lassen sich leider nur höhere Mieten ansetzen, in denen dann die unerwünscht hohen Temperaturen entstehen. Ideal wäre für die oben geschilderte Flachkompostierung der Seitenstreuer. Man könnte seitwärts vorbeifahren und in gewissen Zeitabständen Schicht auf Schicht aufbringen. Ladegerät. Wir benutzen seit 2 Jahren den bestbewährten Hecklader. Er ist wohl etwas teurer wie der Frontlader, aber vielseitiger und in der Konstruktion gesünder. Sind die Kompostmieten in Feldnähe, kann unmittelbar auf den Streuwagen geladen werden. Kipper: Ist die Kompostmiete nicht in Feldnähe, dann wird am besten ein Kippanhänger oder besser zwei zwischengeschaltet und man läßt mit großem Vorteil die abgekippten Mieten etliche Wochen am Feldrand liegen. Man würde damit den Vorteil des Umsetzens einbeziehen.

Bezüglich der Unkostenbeurteilung darf nicht übersehen werden, das alle aufgeführten technischen Hilfsmittel heute in einem modern eingerichteten landwirtschaftlichen Betrieb auch ohne Mistkompostierung kaum zu entbehren sind, so daß ihre Anschaffung das Kompost-Konto nur schwach belastet.

Regenwurm-Mistkompost im Garten, zweijährige Erfahrungen, berichtet von unserem Gärtner-Bruder

Wir stehen mitten in der Frühjahrbestellung (20. Februar 1954). Es gibt viel Arbeit mit Pikieren und Umtopfen! Aber trotzdem möchte ich wunschgemäß über unsere Erfahrungen mit dem Regenwurm-Mistkompost einiges erzählen.

Wir kultivierten folgende Kulturen: Alpenveilchen, Asparagus, Primeln, Zinerarien, vor allem Tomaten, Salate, Sellerie, Möhren usw. Die Erdmischung wurde grundsätzlich zusammengestellt aus 1/5 Regenwurm-Mistkompost, 1/5 Torf, 2/5 Erdkompost und je nach den Ansprüchen der Pflanzen wurde Sand und Lauberde beigemischt. Wir nahmen diesen Regenwurm-Mistkompost für alle Kulturen, aber zum Vergleich wurde immer etwas von der Erdmischung genommen, wie sie in den Gärtnereien üblich ist. Die Pflanzen standen in Handkisten und Tontöpfen im temperierten Gewächshaus. Nach kurzer Zeit haben die Pflanzen auch in den lichtärmeren Monaten den Topf vollständig durchwurzelt. Besonders zu erwähnen ist, daß die Pflanzen deutlich stärkere, mehr verzweigte schneeweiße Wurzelbildung zeigten. Auch verfügen sie über zahlreiche Wurzelhaare.

Nach meiner Ansicht läßt sich das wie folgt erklären: Durch die Zersetzungsarbeit der Würmer erhält man eine ideale biologische Krümelstruktur, der Boden kommt in einen bestmöglichen Zustand, so daß ein Vergießen, Verschlämmen oder zu starkes Austrocknen nicht mehr möglich ist. Für die Pflanzen ein unheimlich großer Gewinn! Ein solcher Boden erwärmt sich schneller, ist luftdurchlässiger und infolgedessen können die Wurzeln besser atmen. Es entsteht keine Fäulnis, aber gute Bakterienentwicklung, die wieder Nährstoffe aufschließen. Sind die Wurzeln gesund, so ist und bleibt bei normalen Wachstumsverhältnissen der oberirdische Teil auch gesund.

Arbeitsersparnis: Im vergangenen Herbst wurde Asparagus in Handkisten, die mit der oben angegebenen Erdmischung angefüllt waren, pikiert. Asparagus-Jungpflanzen brauchen lange Zeit zum Anwachsen, und bis der Boden erst beschattet ist, vergehen Monate. In dieser Zeit bilden sich dann an der Erdoberfläche Pilze, grüne Algen usw. Der Boden verkrustet. Durch einen Versuch konnten wir beobachten, daß die noch im Regenwurm-Mistkompost vorhandenen Regenwürmer immer wieder an der Oberfläche sichtbar waren und ihren Kot ausschieden, so daß die Erde nach 10-12 Wochen Kulturdauer genau so locker und frisch aussah, als hätte man den Boden erst einen Tag in den Kisten. Dazu weniger Gießen, bessere Pflanzen und ein wildverzweigtes Wurzelsystem. In diesem Frühjahr pikierten wir Tomaten in diese Erdmischung. Wir können sie in obiger Zusammensetzung mit Regenwurm-Mistkompost überhaupt für alle Kulturen verwenden.

Der Regenwurm-Mistkompost ist ein universelles Heilmittel zur Gesundung von Boden und Pflanze. Er bewirkt nämlich eine kräftige, gesunde, widerstandsfähige Entwicklung im äußeren Aufbau der Pflanze, frischgrüne Blattfärbung und intensive Blütenfarben. Auch die Form der Blüte ist größer, geprägter und vor allem haben sie eine längere Haltbarkeit. Das ist ja gerade für Schnittblumen und Konservengemüse so wichtig.

Wir machten einen sehr interessanten Versuch mit Tomaten: Zum Vergleich nahmen wir auch von dem Mistkompost, der ohne Regenwürmer und Kräuterwasser durch normale Rotte zu Humus geworden war. Als erste Kiste: Regenwurm-Mistkompost usw. in der Mischung wie oben. Zweite Kiste: 1/5 Dung von normalem Mistkompost, 2/5 Erdkompost, 1/5 Torf, 1/5 Sand. Dritte Kiste: Erdmischung wie sonst in Gärtnereien üblich ein Teil Kompost, ein Teil Sand, ein Teil Torf. Ergebnis Kiste 1: gleichmäßiges Wachstum, kräftig, gesund, viele gute Wurzeln, einfach herrliche Pflanzen! Kiste 2: ungleichmäßiges Wachstum, zuerst üppig, dann empfindlicher, geringeres Wurzelwerk, kleine und große Wurzeln; kurz nach dem Umpflanzen in Töpfe sind zwei an Vermehrungspilz eingegangen. Kiste 3: die Pflanzen waren etwas gleichmäßiger in der Kiste 2. Langsames Anwachsen, unterschiedliche Wurzelbildung, krankhaftes Aussehen. Von 70 Pflanzen sind 5 Stück an Vermehrungspilz eingegangen. In jeder Kiste waren 70 Tomatenpflanzen.

Neuerdings säen wir sofort in diese Regenwurm-Mistkomposterde. Der Erfolg ist sehr gut. Vor allem kein Ausfall durch Schwarzbeinigkeit und Stengelfäule. Gleichmäßiges Aufgehen und viel mehr Wurzelhaare wie gewöhnlich. Ein weiterer Versuch: Regenwurm-Mistkomposterde wie oben, nur wurde in einer Kiste Braksikol zugesetzt. Braksikol ist zur Bekämpfung von Salatfäule. Die Salatsämlinge wurden in zwei Kisten pikiert. Ergebnis: Bei beiden Kisten war kein Ausfall, aber die Pflanzen in dem Regenwurm-Mistkompost ohne Braksikol waren viel kräftiger, gesunder, widerstandsfähiger und gleichmäßiger.

Unsere Tomatenkulturen im großen Gewächshaus (500 m²) blieben im vorigen Jahr und im Jahr davor, seitdem wir Regenwurm-Mistkompost verwenden, von der Braunfleckenkrankheit verschont. Diese Krankheit hat uns früher schon großen Schaden zugefügt. Die Gurken im Frühbeetkasten hatten keine Krätze an den Früchten. Unsere Primeln, die man nicht in Erde mit Mist kultivieren kann (Blätter werden gelb, braune Wurzeln, die Pflanzen vergilben, haben wir mit Regenwurm-Mistkompost ohne Schwierigkeiten kultiviert. Die Pflanzen wachsen gut, so daß alle Gärtner der Nachbarschaft über die schönen Blumen staunen.

Im Sommer 1953 haben wir von den Tomaten in unseren Treibhäusern Früchte abgenommen, die Kerne getrocknet und im Januar 1954 ausgesät, ebenfalls in Regenwurm-Mistkomposterde. Keimung 100 %, bis jetzt noch die kräftigsten, gesundesten Pflanzen! Wir haben mehrere Sorten Tomatensamen zugekauft, aber bei jeder Sorte sind zahlreiche Schwächlinge, Krüppel, augenscheinlich viruskranke Pflanzen dabei. Aber die Pflanzen aus eigener Ernte sind allen andern voraus. Wenn der Same gute Erbanlagen in sich trägt, so ist das schon ein großer Vorteil. Wir beabsichtigen in diesem Jahr von Salat, Tomaten, Gurken und Bohnen eigenen Samen zu gewinnen. Damals hörte ich in Straelen von den innertherapeutischen Mitteln, eine chemische Lösung, mit denen die Pflanzen gegossen werden. Die Wurzeln sollen diese chemische Lösung im Wasser aufnehmen und so von innen her Schädigungen abwehren. Diese Methode ist, natürlich gesehen, sehr bedenklich. Der Kostenaufwand ist groß und der Erfolg zweifelhaft. Nein, dieser Regenwurm-Mistkompost ist das beste innertherapeutische Mittel. Was heute vielleicht der Wunschtraum eines jeden Gärtners ist, haben wir im Regenwurm-Mistkompost bereits in der Hand.

Jean Pütz, Wolfgang Back, WDR, Hobbythek 1976, Beste Komposterde aus Küchenabfällen

Die in der Sendung als letzter Tip vorgestellte Komposttonne aus Kunststoff fand sehr viel Interesse bei den Gartenfreunden. Dieser Tip wurde uns von dem Benediktinerpater Augustin Hessing aus der Abtei Gerleve zugetragen.

Leider ist der Pater im vergangenen Jahr 77-jährig verstorben - aber sein Erbe - diese Tonne, wird manchem Kleingärtner noch dienlich sein. Diese Tonne kann man sich selbst bauen, oder auch direkt fertig kaufen. Will man sie selbst bauen, so besorgt man sich den Kunststoff Scobalit, der in gewissem Maße lichtundurchlässig ist. Auf den Umfang verteilt man etwa 50 Bohrungen á 12 mm, die den notwendigen Luftaustausch gewährleisten. Mit einer Kunststoffwäscheleine bindet man das Scobalit dann zu einer Tonne zusammen und stellt sie möglichst in Küchennähe zur Aufnahme verrottbarer Abfälle. Auf den Boden legt man noch ein Draht oder Plastikgitter, das Maulwürfe und Mäuse am Eindringen hindert. In die Tonne gibt man nun Küchenabfälle wie: Kaffeesatz, Eierschalen, verwelkte Blumen, Zeitungspapier, Essensreste und geschnittenes Gras usw. Verboten sind logischerweise Abfälle wie: Glasscherben, Spraydosen, Kunststoffteile usw. Gibt man anfangs Regenwürmer hinzu (die man kaufen kann), so erhält man schon bald den besten Humus, den man sonst teuer bezahlen muß.

Ein Behälter mit 250 l Inhalt reicht normalerweise für eine mittlere Familie ein ganzes Jahr aus. Man staunt wie schnell das Eingegebene in sich zusammensackt. Schließlich darf natürlich ein Deckel nicht vergessen werden, der den Kompost vor Vögeln, Ratten, Katzen usw. schützt.

Benötigt man Humus für den Garten, so zieht man einfach die Tonne nach oben hin ab und gibt den Kompost auf eine Plastikfolie. Schlägt man ein paar Mal mit einer Gabel auf die Erde, so verziehen sich die Regenwürmer erneut in die Tonne.

NEUE BILDPOST, Sonntag, 20.5.73, Ein Pater löst das Müllproblem von Josef Mühlbauer

Regenwürmer retteten ihm das Leben

Der dunkelste Tag von Pater Hessing war der 10. Oktober 1941. Bei Nacht und Nebel beschlagnahmte die Gestapo damals das Benediktinerkloster Gerleve im Münsterland; Pater Hessing aber wurde, mit dem Pfarrer von Geimer an Handketten zusammengefesselt, in das KZ Dachau abtransportiert. Daß der Benediktinerpater die vierjährige Hölle dieses Vernichtungslagers überstand, verdankt er - so absonderlich das auch klingen mag - den Regenwürmern.

Die SS nämlich wußte, daß Pater Hessing nicht nur ein unerschrockener Gegner des Nationalsozialismus war, sondern auch ein Mann, der sich als Leiter der Landwirtschaft des 240 ha großen Klostergutes seit den Jahren um 1930 intensiv mit der Bodenforschung befaßt hatte. Sein Interesse galt besonders dem Problem der Humusgewinnung und in dem Zusammenhang auch den Lebensgewohnheiten der Regenwürmer.

An allen Problemen der Ertragssteigerung der Landwirtschaft war man aber im Hitlerstaat brennend interessiert, weil die Ernährungsfrage kriegsentscheidend war. Und so mußte Pater Hessing im KZ Dachau auf großen Versuchsfeldern seine Forschungen unter den Augen der SS fortsetzen. Was der Häftling Nr. 27.835 zusammen mit 35 Mithäftlingen denn auch tat. Einer seiner zwangsweisen Mitarbeiter war übrigens der frühere Bundesfinanzminister Fritz Schäfer. Nach 1945 kehrte Pater Hessing in das Kloster Gerleve zurück. Bis zum letzten Jahr arbeitete er in der Verwaltung der Benediktinerabtei, die heute noch 70 Patres und Brüder zählt.

Dann aber, mit 75 Jahren, stellte ihn sein Abt wieder für seine Forschungsarbeiten frei. Seine Rente für die KZ-Zeit darf der Pater für diese Arbeit einsetzen. Sie ist das einzige "Kapital". Doch bereits jetzt hat der noch recht rüstige Benediktiner greifbare Ergebnisse seiner Forschung vorzuweisen. Weit entfernt von nur grauen Theorien hat er ein System entwickelt, das jede Hausfrau und erst recht jeden Gartenbesitzer höchst interessieren dürfte: Es betrifft das Problem unserer meist übervollen Mülltonnen und damit weit über den einzelnen Haushalt hinaus die immer weiter wachsende Umweltvergiftung. Pater Hessing glaubt sie mit seiner einfachen Erfindung zumindest verringern zu können. Sein verblüffend einfaches Verfahren hat Pater Hessing als Patent angemeldet. Aus durchsichtigem gewellten Kunststoff "Skobalit" stellt der Pater einen ein Meter hohen zylindrischen Behälter mit einem Durchmesser von rund 60 cm her. Sie sind 50 mal mit 12 mm großen Luftlöchern gleichmäßig verteilt durchbohrt. Die Kunststoffplatte wird dabei denkbar einfach zum Rundbehälter, nämlich durch eine Kunststoffschnur, die durch die übereinandergelegten Bohrlöcher beider Enden gezogen und verknotet wird. Dazu kommt dann nur noch ein runder Deckel aus gleichem Material, der in den Zylinder hineinpaßt, und unter den Boden des Behälters ein Stück Drahtgeflecht zum Schutz gegen Maulwürfe. In diesem Behälter, der luft- und lichtdurchlässig ist und der möglichst an einem sonnigen Platz aufgestellt werden soll, wird etwa 1 Eimer voll Kompost, möglichst mit Regenwürmern, eingefüllt. Und darauf kommt dann der Küchenabfall: alle Essensreste, Schalen, Kaffeesatz, sogar Papier und Pappe in dünnen Schichten, wenn sie vorher zerkleinert und eingeweicht wurden. Im Behälter selbst entsteht im Gegensatz zu Blechbehältern oder solchen aus Holz durch die Sonnenbestrahlung eine rund 15 Grad höhere Temperatur als draußen.

Bereits nach vier Wochen ist der Müll soweit verrottet, daß er verwendet werden kann. Nach einem Vierteljahr aber ist er zur besten Blumenerde geworden. Das Füllmaterial verrottet so schnell, daß solch ein Behälter für einen Haushalt ein ganzes Jahr lang gefüllt werden kann. Und er kann in nächster Nähe der Küche aufgestellt werden, ohne daß eine Geruchsbelästigung entsteht. Auf diese Weise kann jeder mit seinem Müllproblem weit besser fertig werden als bisher. Er braucht nur noch das in die Mülltonne zu werfen, was nicht verrottet wie Kunststoffe, Büchsen und ähnliche Abfälle - und gewinnt gleichzeitig gesunden Humus für seinen Garten, seine Blumen. Und er findet, wenn er selber keine Verwendung dafür hat, dankbare Abnehmer bei allen Gartenfreunden.

Pater Hessing will mit seiner Erfindung keine Geschäfte machen. Jeder kann sein Patent für den Privatgebrauch selbst nachmachen. Für den aber, der dazu keine Möglichkeit oder Geschicklichkeit hat, liefert er auch das ganze Zubehör zum Selbstkostenpreis von DM 40,- frei Haus. "Diese Sache ist von großer Bedeutung für unsere Bevölkerung" sagt Pater Hessing. "Mit den großen Kläranlagen sind wir allmählich am Ende. So kommen wir nicht weiter. Wir müssen jetzt wieder von vorne beim Haushalt anfangen."

Und was die Regenwürmer betrifft, so hat der betagte Pater eine ausgesprochene Liebeserklärung für sie parat: "Wo der Regenwurm ist", meint er, "da ist der Humus in Ordnung, da gibt es keine Gifte." Worauf sich der Verfasser dieses Berichts sich prompt einen Behälter "System Hessing" im Kloster Gerleve kaufte, in sein Auto lud und gleich am nächsten Tage neben seiner Mülltonne aufstellte und alle Regenwürmer seines Gartens freundlichst zum Besuch einlud.

Alle Texte dieser Page von Privat erhalten und der Familie zur Kenntnis gebracht im April 2006.  - KW

Siehe auch:

www.regenwurm.de/
 

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