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Stories / Berichte
 

Eine Artikelserie aus "Kirche Und Leben" vom Juni + Juli 1994
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imInternetForumWermelt im Juli 2000
Uns allen freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Marianne Wermelt, verheiratete Mense, aus Wadersloh bei Beckum

Die schwierige Gründung des Klosters Gerleve


Wie gewinnt der Glaube Zukunft? hieß 1994 die Frage beim Diözesanforum. Kann als Antwort auch ein Blick zurück helfen? Eine Beschäftigung mit den Anfängen des Benediktiner-Klosters St. Joseph Gerleve  verspricht aktuelle Erfahrungen: Was es Gläubigen bedeutet, ein Ziel zu haben. Was Christen vermögen, wenn sie sich unterwegs nicht beirren lassen. Wie eine fast frühchristlich geschwisterliche Gemeinschaft zwischen Laien und Ordensleuten zum Zeichen der Hoffnung wird. Gerleve hebt sich von anderen Niederlassungen ab: durch die junge Gründung, die Stiftung dreier Geschwister, das Wachsen aus einem Bauernhof, das Entstehen gegen massive Widerstände. Der Zuspruch der Priorin von Maria Hamicolt für die Stifter charakterisiert zugleich die Glaubensstärke und Zähigkeit der Geschwister Wermelt: "Unerschütterlich vertrauendes Gebet dringt durch die Wolken."

 

Eine Serie von Hans-Josef Joest:

 

"Mit Festem Glauben Und Westfälischer Zähigkeit"

 

Sechs Absagen können die Stifter nicht entmutigen

 

In der Bauerschaft Gerleve, Kirchspiel Billerbeck, nahe der schönen, von Coesfeld nach Billerbeck führenden Straße, die als Todesweg des ersten Bischofs von Münster, des heiligen Ludger, im Volksmund den Namen Sint-Lürs-Weg trägt, liegt das Kolonat Wermelt in einer anmutigen Talsenkung. Auf der Höhe, etwa zehn Minuten nördlich vom Wohnhaus, bezeichnet ein Kreuz im Schatten dreier alter Bäume den Ort, an welchem der Tradition nach der heilige Ludger auf seinem letzten Gang ausruhte. Von hier aus genießt der Wanderer eine herrliche Aussicht vor allem nach Billerbeck mit seiner neuen und imposanten Propstei-Kirche..."

Mit dieser einfühlsamen Landschaftsschilderung beginnen die Jahrbücher der Benediktiner-Abtei St. Joseph Gerleve. Der Chronist hat im Juni 1909 von Abt Raphael Molitor den Auftrag zur Niederschrift erhalten. Da er erst seit 1906 in Gerleve ist, stützt sich der Verfasser auf Augenzeugenberichte, Dokumente und Schriftwechsel.

So harmonisch, so selbstverständlich, so gewachsen diese Beschreibung im Jahr 1899 einsetzt: Die Gründung von Gerleve an diesem landschaftlich reizvollen Standort in den Baumbergen des Münsterlandes verlief keineswegs so harmonisch. Aber genau diese schwierigen Umstände machen die Beschäftigung mit den Anfängen des Benediktiner-Klosters heute so persönlich bereichernd.

Wer waren die Wermelts, die Stifter?

Der Name läßt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen: Am 25. November 1724 vermählten sich Heinrich Wermelt und Elisabeth Öynk, die Ur-Ur-Grosseltern der Stifter. Ihre Eltern, Johann Bernhard Heinrich Wermelt und seine Ehefrau Anna Maria geb. Schulze Lutum, hatten zehn Kinder.

Als Elisabeth, Bernhard und Hermann Wermelt sich um eine Klostergründung auf ihrem bäuerlichen Besitz bemühten, waren sieben ihrer Geschwister bereits gestorben: die vier jüngeren, Heinrich, Josefina, Anton und Theodor, ebenso die drei älteren Albert, Johann und Gertrud.

Allein Gertrud war in Schöppingen verheiratet gewesen mit Anton Ewigmann, mit dem sie zehn Kinder hatte. Einen dieser zehn, Heinrich Ewigmann, hatten die drei Geschwister auf den elterlichen Hof genommen. Möglicherweise sollte er zunächst das Anwesen übernehmen.

Der Kloster-Chronist beschreibt die drei Stifter als "einfache, rechtschaffene Bauersleute", die sich "wegen ihrer tiefen Frömmigkeit, ihres großen Fleißes und wegen ihrer bekannten Wohltätigkeit in der Gegend allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreuten". Einfache Bauern also, während im Mittelalter die Stifter von Klöstern vielfach Herren über riesige Ländereien gewesen waren.

Die Wermelts bestimmte allein ihr tiefer Glaube, auf ihrem Grund zwischen Billerbeck und Coesfeld ein Kloster wachsen zu lassen. "Mit westfälischer Zähigkeit", so der Chronist anerkennend, setzten die drei ihren Plan in die Tat um: Ein Benediktiner-Kloster sollte es sein.

Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts hatte das benediktinische Mönchtum einen neuen Aufschwung genommen. In Frankreich gingen seit 1833 von Solesmes und in Deutschland seit 1863 vom ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift in Beuron Erneuerungsströme aus, die auf die Pflege feierlicher Gottesdienste und die Belebung des gregorianischen Chorals abzielten. Am Anfang der Beuroner Kongregation standen die Brüder Maurus und Placidus Wolter aus Bonn, die zuvor Priester des Erzbistums Köln gewesen waren".

Während des Kulturkampfes hatten die aus Beuron vertriebenen Benediktiner drei Klöster im Exil gegründet: Erdington bei Birmingham im Jahr 1876, Emaus in Prag 1880 und 1883 Seckau in der Steiermark. Drei Jahre nachdem Placidus Wolter anstelle seines verstorbenen Bruders Maurus Erzabt geworden war, errichtete die Beuroner Kongregation 1893 die alte Abtei Maria Laach wieder neu.

Eine Gründung der Benediktiner wünschten sich die Geschwister Wermelt auch im Münsterland. In der Nachbarschaft stieß diese Initiative auf Wohlwollen, da "die nächsten Pfarrkirchen nur mit beträchtlichem Zeitaufwand zu erreichen waren".

Ihre erste Bitte richteten die Wermelts an das Benediktiner-Kloster Maria Laach. Allerdings schrieben sie nicht selbst, sondern sie konnten die Priorin der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament Maria Hamicolt in Rorup bei Dülmen als Fürsprecherin gewinnen. Doch die Antwort aus Maria Laach fiel ablehnend aus, weil "der Besitzstand für eine Benediktiner-Abtei zu klein sei".

Da besannen sich die Geschwister ihres guten Einvernehmens mit den Redemptoristen, die vor den Anbetungs-Schwestern in Hamicolt gewesen waren und nun im holländischen Exil lebten. Nüchtern notiert der Kloster-Chronist die zweite Enttäuschung: "Allein der Bescheid lautete, Gerleve sei zu weit von der Bahn entfernt, auch hätten sie selbst keine Aussicht, nach Deutschland zurückzukehren."

Also aufgeben? Ganz im Gegenteil: Hermann Wermelt trug Diözesanbischof Hermann Dingelstad das Anliegen der Geschwister vor, und dieser sagte tatkräftige Hilfe zu. Die dritte Initiative der Wermelts richtete sich an die Kapuziner. Aber auch die beigefügte Empfehlung des Bischofs von Münster hielt diese nicht von einem Nein ab.

Entmutigen konnte auch diese Absage die Geschwister nicht. Waren vielleicht die Dominikaner für eine Gründung auf ihrem Hof zu gewinnen? Bischof Hermann gab diesem Versuch ebenfalls seine wohlwollende Unterstützung. Die Antwort brachte die vierte Enttäuschung.

Bewundernd schreibt der Kloster-Chronist über die Unbeirrbarkeit der Geschwister ungeachtet all dieser Rückschläge: "Nun gehörten aber die ganze Zähigkeit des Westfalen und der ganze feste Glaube dieser echt katholischen Bauern dazu, um auf dem eingeschlagenen Weg ausharren zu lassen."

Mit ihrem fünften Vorstoß wandten sich die Wermelts erneut an die Benediktiner, diesmal nicht nach Maria Laach, sondern an die Erzabtei Beuron. Doch das jeweils alle drei Jahre tagende Generalkapitel der Benediktiner lehnte – zumindest auf absehbare Zeit – wegen anderweitiger Verpflichtungen, "wegen Mangel an Kräften" und, so heißt es in den Gerlever Annalen, mit der Begründung ab, daß der Besitzstand für eine Bendiktiner-Abtei zu klein sei".

Tod des Neffen als Fügung verstanden

Das fünfte Nein war damit das zweite der Benediktiner. Wann schlägt Zähigkeit in Sturheit, ja in Unbelehrbarkeit um? Zuweilen eine schwierig zu beantwortende Frage, nicht jedoch im Fall der Geschwister. Die Absicht der Wermelts war keine eigennützige – ganz im Gegenteil: Sie wollten ihren gesamten Besitz geben, um das Glaubensleben in ihrer Heimat zu vertiefen. Mehr konnten sie als einfache Christen praktisch nicht anbieten. Und da sollten keine Ordensleute sein, um auf diesem Fundament zu bauen?

Nein, noch gaben die Geschwister nicht auf. Ursprünglich hatten sie wohl auch die Möglichkeit gesehen, ihrem Neffen Heinrich Ewigmann ihren Hof zu überschreiben. Doch dieser starb am 23. Februar 1897 im Billerbecker Krankenhaus an den Folgen eines Unglücks. Offenbar besiegelte der Tod des Neffen den Entschluß der Geschwister, ihr Anwesen einem Orden zu vererben.

Am 2. August 1897 faßte Elisabeth Wermelt im Einvernehmen mit ihren Brüdern Bernhard und Hermann ein erneutes Gesuch ab, Adressaten waren diesmal die Missionare in Steyl. "Es hat sich in unserem Haus sehr geändert, denn unser Neffe Heinrich Ewigmann ist gestorben", schrieb sie, "und sehen wir es als eine Fügung der göttlichen Vorsehung an, daß der so lange gewünschte Plan jetzt zur Ausführung gelangen könnte." Elisabeth Wermelt sprach das Angebot aus: "Wir sind bereit, jetzt unser ganzes Erbe, welches ungefähr 200 Morgen beträgt, zu einer Kloster-Stiftung hinzugeben."

Voller Erwartung fügte die Schreiberin an: "Wir hoffen dann, daß uns recht bald die Gnade zuteil werde, ein Gotteshaus in unserer Mitte zu besitzen." Nun gelte es, "den lieben Gott zu bitten, daß er uns erleuchte und seinen heiligen Willen zu erkennen und auszuführen verhelfe".

Aber wie zuvor schon die Redemptoristen lehnten die Steyler Missionare eine Gründung 35 Kilometer von Münster entfernt wegen der fehlenden Bahnverbindung ab. Genug der Entmutigung? Die Absicht ehrenvoll, aber die Umsetzung wirklichkeitsfremd? Die Geschwister kannten ihr Ziel – und dieses Ziel war ihnen jeden Einsatz wert, wider alle Widrigkeiten.

Obwohl inzwischen jede Hoffnung trügerisch schien, ließen die Wermelts ihre Kontakte nach Beuron nicht abreißen. Und siehe da: Es zeigten sich erste Hoffnungsschimmer. An Allerseelen 1897 schrieb Pater Sebastian von Oer, der familiäre Beziehungen ins Münsterland hatte, im Auftrag des Beuroner Erzabtes Placidus Wolter an die Priorin von Maria Hamicolt. Ein "bestimmte Antwort" könne er nicht geben, nur soviel: Vater Erzabt "habe nicht aufgehört, diese münsterländische Gründung in sein Herz einzuschließen".

Zugleich ließ dieses Schreiben erkennen, daß Erzabt Placidus eine Gründung in Gerleve verhalten befürwortete. In Pater Sebastians heißt es über den Erzabt: "Er habe auch bedauert, daß das Generalkapitel, hauptsächlich unter dem Druck der Bedürfnisse in Monte Cassino und Rom die Sache so kurz abgelehnt habe, indessen sei es unwirklich, bei der großen Personalnot schier etwas anderes zu tun."

Deshalb habe sich der Erzabt an das Kloster Emaus in Prag gewandt, denn auch in Maria Laach gebe es "augenblicklich keine geeignete Persönlichkeit". Allerdings mochte Erzabt Placidus nicht ausschließen, daß sich die Personalsituation im nächsten Sommer bessere: "Ob aber die guten Wermelts solange Geduld haben?"

Sie hatten! Um ihrer Bitte Nachdruck zu verleihen, suchten sie sich quasi einen natürlichen Verbündeten: den aus dem Münsterland stammenden Beuroner Benediktinerpater Adalbert Swiersen. Als dieser bei den Benediktinerinnen von der Ewigen Anbetung in Hamicolt zu Gast war, trafen sich die Geschwister Wermelt mit ihm und versuchten, ihn für eine Gründung in der alten Heimat zu begeistern. Diese Vermittlung und ein Brief, den die Schwestern von Hamicolt am 28. März 1898 an den Erzabt von Beuron richteten, waren endlich von Erfolg gekrönt. Der nun mehr siebte Anlauf an eine Ordensgemeinschaft bewirkte die Wende.

Am 11. April 1898 machte Erzabt Placidus den Sinneswandel der Benediktiner quasi aktenkundig: Er richtete ein Gesuch an den preußischen Minister des Innern und Kultus und teilte ihm mit, aus der Bauerschaft Gerleve sei "mehrfach die dringende Bitte an die Kongregation ergangen, daselbst eine Niederlassung" zu gründen. Nach vorherigen Erkundigungen beim Ortsbischof wie der Regierung von Münster habe der Abt von Maria Laach, Willibrord Benzler, in seinem Auftrag die Gegend besucht. Dabei habe sich gezeigt, "daß die umliegenden Hofbewohner bei der bedeutenden Entfernung von der Pfarrkirche eines geregelten Gottesdienstes entbehren".

Erzabt Placidus begründete sein Gesuch um staatliche Genehmigung: "Da es sich jetzt hauptsächlich darum handelt, den Bewohnern der Gegend den ersehnten regelmäßigen Gottesdienst durch eine tägliche heilige Messe zu gewähren, würden wir vorerst nur zwei Patres dahin entsenden, jedoch in der Absicht, mit der Zeit daselbst ein reguläres Kloster zu errichten und dies um so mehr, als das Münsterland ganz der Abteien entbehrt, welche einst so segensreich als Stätten der Kultur und des Kultus gewirkt haben."

Äußerst bescheidende Pläne also: Zwei Patres, doch hoffentlich die Vorhut für eine stattliche Niederlassung. Die Wermelts, die sechs Absagen nicht hat entmutigen können, versuchten sofort, neben den Patres auch Benediktiner-Brüder für die bäuerliche Arbeit nach Gerleve zu holen. Aus der Abtei Emaus in Prag schrieb ihnen Pater Sebastian: "Der hochwürdigste Vater findet Ihr Anerbieten, gemeinsam mit uns den Hof zu verwalten, sehr gut und vernünftig, und würde dann gleich zwei Laienbrüder mitschicken."

Zugleich bereitete Pater Sebastian die Wermelts darauf vor, daß sich die preußischen Behörden für ihre Antwort Zeit lassen würden: "Es wird vermutlich längere Zeit dauern, bis die Antwort von Berlin kommt, und dafür wollen wir vereint beten." Tatsächlich setzte der münstersche Regierungspräsident erst am 9. September 1898 den Beuroner Erzabt über den Erlaß des Ministers des Innern in Kenntnis.

Dürre Beamtensprache beschrieb die Erfüllung des Herzenwunsches der drei unbeirrbaren Geschwister: Preußen genehmigte eine Ordensniederlassung der Benediktiner in Gerleve "zum Zweck der Aushilfe in der Seelsorge".

15.07.00-KW

Nächste Folge:
" Das Kloster auf Kreuz und Widerwärtigkeiten erbauen"

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Geschichte der Abtei Gerleve

Die Sammlung der Texte zur Geschichte der Abtei wird ständig erweitert.

"Unerschütterlich vertrauendes Gebet dringt durch die Wolken"
Die schwierige Gründung des Klosters Gerleve
Eine Serie von Hans-Josef Joest

Diese Artikelserie erschien im Jahre 1994 in der münsterschen Kirchenzeitung "Kirche und Leben" aus Anlaß des 90-jährigen Gründungsjubiläums der Abtei.

"Mit festem Glauben und westfälischer Zähigkeit"
Sechs Absagen können die Stifter nicht entmutigen
Kirche und Leben 5. Juni 1994

"Das neue Kloster muß auf Kreuz und Widerwärtigkeiten erbaut werden"
Ohne Hilfe der Ordensschwestern von Hamicolt gäbe es kein Kloster Gerleve
Kirche und Leben 12. Juni 1994

"Der heilige Joseph muß dieses Sorgenkind großziehen"
Bescheidene Anfänge des Klosters in Mühen und Entbehrung
Kirche und Leben 19. Juni 1994

"Wichtiger und schwerer Akt bei unzureichenden Mitteln"
Starke Widerstände in der Führung des Benediktiner-Ordens
Kirche und Leben 26. Juni 1994

"Das Abrahamsopfer des ersten Priors für das Kloster"
Die Saat der Stifter geht auf - Aber Armut bleibt der größte Reichtum
Kirche und Leben 3. Juli 1994

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