Billerbeck, 23. Februar 1897, im
Krankenhaus des Ortes stirbt der junge, aus Schöppingen stammende Landwirt Heinrich Ewigmann an den Folgen eines Unglücks. Wenig später wird er zu Grabe getragen – und mit ihm die Hoffnung seiner Tante und seiner beiden
Onkel, den Hof Wermelt in der Familie weitervererben zu können.Auf dem Hof leben zu dieser Zeit drei alte Leute: Elisabeth, Bernhard und Hermann Wermelt. Sie kommen nach langem Überlegen zu dem Schluss, ihre
Besitzung zu stiften. 'Wir sind bereit, jetzt unser ganzes Erbe, welches ungefähr 200 Morgen beträgt, zu einer Kloster-Stiftung hinzugeben', schreibt Elisabeth Wermelt im Sommer 1897 in einem Brief an die Steyler
Missionare. Doch der Plan ist offenbar schneller gefasst als in die Tat umgesetzt. Denn die Steyler Missionare lehnen das Angebot dankend ab. Ebenso auch die Kapuziner, die Dominikaner oder die Redemptoristen, an die
sich die Geschwister wenden. Dem einen Orden ist der Hof zu abgelegen, der andere scheut die Investition eines Klosterneubaus, wieder andere sind gar nicht an einer Neugründung interessiert.
Ursprung des Hofes
Die Benediktiner von Beuron nehmen schließlich das großzügige Angebot an. Am 19. September 1899 ziehen die ersten Mönche aus Beuron in das westfälische Bauernhaus ein. Fünf Jahre später wird die
Abteikirche geweiht. So geht aus dem wirtschaftlichen Fundament des Bauernhofes die noch heute existierende Benediktinerabtei Gerleve hervor.
Mit den Benediktinern beginnt gewissermaßen das 'zweite Kapitel' der
Hofgeschichte. Wann aber hat sein 'erstes Kapitel' begonnen? Seit wann gibt es den Hof Wermelt?
Nach einer Urkunde aus dem 11. Jahrhundert soll es in der Gegend zwischen Billerbeck und Coesfeld etwa dreißig Höfe in
'Lutenhem', 'Uuesthelnon' und 'Gardifelt' gegeben haben. Aus diesen mittelalterlichen Namen sind die heutigen Bauerschaftsnamen Lutum, Westhellen und Gerleve hervorgegangen.
Der Hof Wermelt gehörte zur
Unterbauerschaft Gerleve in der Bauerschaft Westhellen. Der Name Gerleve soll aus dem altsächsischen Wort für 'Speerhof' entstanden sein. Sein Name, so heißt es in einer Chronik der Billerbecker Höfe, sei nach und nach
auf die ganze Bauerschaft übergegangen.
Keimzelle der Besiedlung war offenbar der Schulzenhof Gerleve, der dem Billerbecker Haus Hamern eigenbehörig war. Hamern war auch der erste nachweisbare Grundherr des Hofes
Wermelt. In einem Verzeichnis des Jahres 1652, also kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, wird der Hof Wermelt genannt – es ist der älteste, bislang bekannte Nachweis des Bauernhofes, der später an das Gut
Holtwick bzw. an den Grafen Droste zu Vischering gelangte.
Frühe Markenteilung
Als jährliche Abgaben ('Gefälle') hatte der Hof 13 Taler Dienstgeld zu zahlen, außerdem hatte er drei Malter Hafer,
zwei Malter Gerste, einen Malter Roggen und drei Scheffel Weizen zu liefern, außerdem zwei 'Pachtschweine' und sechs Hühner. Ferner musste er 1 Taler und 20 Schillinge 'Fuhrgeld' zahlen. Und dann waren da noch die
Geldsummen, die immer dann fällig waren, wenn die Bauersleute starben oder wenn geheiratet wurde und eine neue Generation auf den Hof zog. Das 'Versterb' der Eltern wurde zum letzten Mal 1789 mit 40 Talern beglichen.
Das 'Heiratsgeld', die sogenannte Auffahrt, in Höhe von 85 Talern wurde zum letzten Mal fällig, als der junge Bauer Bernhard Heinrich Anton Wermelt 1792 heiratete.
Doch bald brachen neue Zeiten an. Im Zuge der
preußischen Agrarreformen ('Bauernbefreiung') kauften sich die Wermelts von diesen Verpflichtungen frei. 1843 lösten sie ihre jährlichen Abgabeverpflichtungen beim Grafen Droste zu Vischering gegen eine Summe von 862
Talern und 12 Silbergroschen ab. Es scheinen 'gute Jahre' für den Hof gewesen zu sein, denn neben dieser Summe brachten es die damaligen Bauersleute auch noch fertig, 1844 ein neues Wohnhaus zu erbauen.
Sieben Jahre
später folgte dann der zweite Teil des 'Freikaufes': Die Wermelts zahlten dem Grafen Droste zu Vischering noch einmal 716 Taler, 20 Silbergroschen und 11 Pfennig. Für diese Summe hatten sich die Bauersleute der Pflicht
entledigt, bei jedem Besitzerwechsel und bei jedem Erbgang Geld zu zahlen.
Bereits früh, zwischen 1807 und 1810, waren die Westheller und Gerlever Marken geteilt worden; sie waren bis dahin von den anliegenden Bauern
und Köttern gemeinsam und nach ungeschriebenen Regeln benutzt worden. Aus dieser und aus späteren Teilungen erhielt der Hof insgesamt rund 5,5 ha Markenland. Um 1890 gehörten zum Hof 54 ha Weide, Acker und Wald. Mit
diesem Landbesitz zählte er damals in der Bauerschaft Westhellen zum 'oberen Mittelfeld'.
Stammfolge der Stifter
Die Stammfolge des Hofes reicht bis zum Jahr 1724 zurück, als die Bauersleute
Heinrich Wermelt und Elisabeth Öynck heirateten. Von ihnen führt eine direkte Linie zu den drei stiftenden Geschwistern.
Deren Eltern, Johann Bernhard Heinrich Wermelt und seine Ehefrau Anna Maria geb. Schulze Lutum
hatten zehn Kinder. Sieben dieser zehn Geschwister waren verstorben, als sich die drei Stifter entschlossen, den Hof einer Ordensgemeinschaft zur Verfügung zu stellen.
Mögliche Erben gab es freilich noch in
Schöppingen. Dort war eine Schwester, Gertrud, verheiratet gewesen, die ihrerseits zehn Kinder zur Welt gebracht hatte. Eines dieser zehn Kinder war der eingangs genannte Heinrich Ewigmann, der ausgewählte Hoferbe.
Offenbar hatten sich die drei aber schon vor seinem überraschenden Tod mit dem Gedanken getragen, den Hof einer Klostergemeinschaft zu stiften. Denn nach dem plötzlichen Tod des Neffen schrieb seine Tante:
'Es hat
sich in unserem Haus sehr geändert, denn unser Neffe Heinrich Ewigmann ist gestorben, und wir sehen es als eine Fügung der göttlichen Vorsehung an, dass der so lange gewünschte Plan jetzt zur Ausführung kommen könnte.'
Bevor die drei ihren Plan in die Tat umsetzten, haben sie sich offenbar auch unter ihren bäuerlichen Nachbarn umgehört. Denn, so heißt es weiter in dem Schreiben der drei Geschwister: Ihr Wunsch stoße auch in der
Nachbarschaft auf Wohlwollen, da 'die nächsten Pfarrkirchen nur mit beträchtlichem Zeitaufwand zu erreichen' seien.
Ein späterer Chronist der Abtei beschreibt die drei Geschwister so: Es seien 'einfache,
rechtschaffene Bauersleute, die sich wegen ihrer tiefen Frömmigkeit, ihres großen Fleißes und wegen ihrer bekannten Wohltätigkeit in der Gegend allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreuten'. Den Hof der drei Stifter
führten die Benediktinermönche ab 1899 als 'Ökonomie' fort, also als landwirtschaftlichen Betrieb im Kloster. Hier lief in den 20er Jahren einer der ersten Ackerschlepper des Münsterlandes, und hier wurde um 1930 eines
der ersten Grünfuttersilos Westfalens errichtet. (Diesem 'zweiten Kapitel' der Hofgeschichte wird sich die kommende Folge unserer Serie widmen.) Gisbert Strotdrees